Stellungnahme zum Thema Bildung im Koalitionsvertrag

Stellungnahme von „Eltern für eine gute Schule“ 

zum Thema Bildung im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

 

„MEHR FORTSCHRITT WAGEN Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

 

  • Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang Bildung und Chancen für alle (S. 94)

„Gemeinsam mit den Ländern werden wir die öffentlichen Bildungsausgaben deutlich steigern und dafür sorgen, dass die Unterstützung dauerhaft dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird […] Wir streben eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation aller Ebenen an (Kooperationsgebot).“

 

     Wir begrüßen den Einsatz für lebenslange Bildung. Schulische Bildung muss allerdings Ländersache bleiben, um die Vielfalt verschiedener Umsetzungen von Schule zu erhalten und voneinander zu lernen. Ein zentrales Bildungssystem widerspricht dem Gedanken (nach dem Ende des Nationalsozialismus) eines föderalen Staates, der in seinen grund-legenden Aufgaben/Institutionen nicht so leicht gleichgeschaltet werden kann wie ein zentralistischer Staat. Selbstverständlich kommt nach wie vor der Kultusministerkonferenz die Aufgabe der Vermittlung zwischen diesen unterschiedlichen Umsetzungen zu.

 

  • Frühkindliche Bildung (S. 95)

„Wir werden das Gute-Kita-Gesetz auf der Grundlage der Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation fortsetzen und bis Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards überführen. Dabei fokussieren wir auf Verbesserung der Betreuungsrelation, Sprachförderung und ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot […] Den fachlich fundierten Einsatz von digitalen Medien mit angemessener technischer Ausstattung in der frühkindlichen Bildung werden wir fördern und die Medienkompetenz stärken.“

 

     Genügend gute und qualitativ hochwertige Kindertagesstätten sind tatsächlich bleibende und dringliche Aufgaben. Entscheidend für die frühkindliche Entwicklung ist indes ein Netz tragfähiger Beziehungen und Bindungen im direkten Umfeld der Kinder. Dazu sehen wir die Stärkung und Unterstützung des familiären Umfeldes in Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten als wichtig an. Im Falle fehlender Unterstützung durch das Elternhaus sollten besondere Fördermaßnahmen greifen. Dies alles unterstützt Kinder dabei, sich in einer sicheren und anregenden Umgebung zu entwickeln. Auch Sprachförderung sollte, wenn möglich, als Unterstützung der schon vorhandenen familiären Bemühungen angesehen werden.

     Angesichts der psychischen und körperlichen Gefahren, die der Gebrauch digitaler Medien für Kinder darstellt, sollten Familien und Kindertagesstätten gemeinsam versuchen, den Einfluss digitaler Medien in dieser Phase so gering wie möglich zu halten. Medienkompetenz kann hier nur bedeuten, mit Kindern über ihre Erfahrungen mit digitalen Medien zu sprechen. Fachlich grundlegende Vorstellungen für informations-verarbeitende Systeme können und sollen ohne Computer vermittelt werden. Kinder haben schon im Alltag Kontakt mit digitalen Medien und gerade Kindertagesstätten sollten Alternativen zum Spiel mit digitalen Medien ermöglichen, so dass eine umfassendere sinnliche Welterfahrung möglich wird.

     Es geht also darum, den Kindern eine in Bezug auf digitale Medien geschützte Umgebung zu bieten, die sie später in die Lage versetzt, digitale Medien mündig einzusetzen.

 

  • Startchancen-Programm (S. 95/96)

„Mit dem neuen Programm „Startchancen“ wollen wir Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern ermöglichen. Wir werden mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besonders stärken. Dazu wollen wir diese Schulen mit einem Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren unterstützen.

Über dieses Programm hinaus werden wir weitere bis zu 4.000 Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren gezielt und dauerhaft mit zusätzlichen Stellen für schulische Sozialarbeit unterstützen.

An Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern, die einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben, wollen wir dauerhaft und unbürokratisch Angebote für Lernförderung und soziokulturelle Teilhabe etablieren, um sicherzustellen, dass die Inanspruchnahme dieser Leistungen steigt.“

 

      Nach unserer Auffassung ist es für die Bildungschancen von Kindern förderlich, wenn sich die soziale Lage der Eltern verbessert und die Eltern zudem bei der Erziehung und Pflege der Kinder (Artikel 6, GG) unterstützt werden, wo immer dies möglich ist. Schulische Sozialarbeit kann zu einem stabilen Umfeld beitragen, das Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder eröffnet, die sie zuhause nicht hätten. In diesem Sinne begrüßen wir auch schulische Sozialarbeit in benachteiligten Regionen und Quartieren.

     Die Schule hat die Aufgabe, Kinder lebenstüchtig zu machen. Dazu gehört, dass sie später in  Ausbildung, Studium oder Beruf über die notwendigen fachlichen Voraussetzungen verfügen.  Klimagerechte, barrierefreie Schulen sind wichtig, vorrangig ist aber die Umsetzung baulicher Grundstandards und regelmäßiger Gebäudepflege.

     Viel mehr als „Lernumgebungen und Kreativlabore“ benötigen Kinder genügend viele und gut ausgebildete Lehrkräfte, die ihnen Fähigkeiten, Kenntnisse und Werte vermitteln, um sie auch zu verantwortlicher Gestaltung zukünftiger Verhältnisse zu befähigen.

 

  • Digitalpakt Schule (S.96)

„Wir wollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Den Mittelabruf beim Digitalpakt Schule werden wir beschleunigen und entbürokratisieren. Zur Unterstützung vor Ort werden wir Service-, Beratungs- und Vernetzungsangebote schaffen. Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen, der einen verbesserten Mittelabfluss und die gemeinsam analysierten Bedarfe abbildet. Dieser Digitalpakt wird auch die nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration umfassen. Die digitale Lernmittelfreiheit werden wir für bedürftige Schülerinnen und Schüler weiter fördern. Gemeinsam mit den Ländern werden wir die Einrichtung, den Betrieb und die Vernetzung von Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung fördern und eine zentrale Anlaufstelle für das Lernen und Lehren in der digitalen Welt schaffen. Wir werden gemeinsam mit den Ländern digitale Programmstrukturen und Plattformen für Open Educational Ressources (OER), die Entwicklung intelligenter, auch lizenzfreier Lehr- und Lernsoftware sowie die Erstellung von Positivlisten datenschutzkonformer, digitaler Lehr- und Lernmittel unterstützen.“

 

      Auch wir nehmen tiefgreifende Veränderungen im Zusammenleben und in unserer Demokratie durch die stattfindende digitale Transformation im Alltag wahr. Schulische Bildung hat die Aufgabe, Kinder und Jugendliche sowie ihre Erziehungsberechtigten zu einem mündigen und selbstbestimmten Umgang mit diesen Veränderungen zu befähigen. Wenn der Alltag in der Gesellschaft zusehends von privaten Investoren gestaltet wird, die von diesen Veränderungen profitieren, ist es um so wichtiger, dass Kinder und Jugendliche auch nicht-digitale Alternativen in Bezug auf Lebensgestaltung, Unterhaltung und sinnliche Erlebnisse – allein und in Gemeinschaft – kennenlernen. Schulen müssen baulich hierzu eine anregende Umgebung bieten. Hier sehen wir größeren Handlungsbedarf als bei der Ausstattung mit digitalen Endgeräten.

     Der Einsatz digitaler Lehrmittel und die Verantwortung dafür liegen in den Händen der Fachlehrkräfte. Die Fachlehrer entscheiden aufgrund der zu erlernenden Fähigkeiten, welche Methoden und Lehrmittel dazu geeignet sind, die entsprechenden Lernprozesse zu unterstützen. Von Seiten der Schulfächer besteht hierbei schon jahrzehntelange Erfahrung, auf die jede weitere Entwicklung aufbauen sollte. Etwa im Hauptfach Mathematik zeigt die Erfahrung seit Ende der Siebzigerjahre, dass die Nutzung von Taschenrechnern bis zu Computeralgebra-Systemen nur in sehr eingeschränktem Maße sinnvoll ist, abhängig vom Alter, dem Unterrichtsgegenstand und der Lerntätigkeit. Auch in vielen weiteren Fächern ist dies so. Bildung beruht auf menschlichen Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern und wird in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft von unterschiedlichen Bildungsauffassungen getragen. So genannte „intelligente Lehr- und Lernsoftware“ beruht jedoch vor allem auf dem autoritären Bildungskonzept der operanten Konditionierung – ein Bildungskonzept, das nach den demokratischen Umwälzungen der 70er Jahre als überwunden galt.

 

  • Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer (S. 96/97)

„Bund und Länder richten eine gemeinsame Koordinierungsstelle Lehrkräftefortbildung ein, die bundesweit Fort- und Weiterbildungsangebote vernetzt, die Qualifikation von Schulleitungen unterstützt, den Austausch ermöglicht sowie die arbeitsteilige Erstellung von Fortbildungsmaterialien organisiert und fördert. Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung entwickeln wir weiter mit neuen Schwerpunkten zu digitaler Bildung, zur dritten Phase der Lehrerbildung und bundesweiter Qualitätsentwicklung des Seiten- und Quereinstiegs, u.a. für das Berufsschullehramt. Wir wollen die Anerkennung ausländischer Qualifikationen im Lehramt beschleunigen und vereinfachen, Auslandserfahrungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften unterstützen und beim beruflichen Werdegang stärker berücksichtigen.“

 

     Die Lehrerfortbildung auch zentral zu gestalten kann eine sinnvolle Ergänzung zur vorhandenen Vielfalt der bisherigen Fortbildungen sein. Mit dieser Konzentration auf zentral gesteuerte Fortbildungen greift der Staat allerdings auch aktiv in die allgemeine Gestaltung von Lehrerfortbildung ein. Die Kultur der Lehrerfortbildung sollte dadurch gestärkt werden, dass gerade der Vorteil des deutschen Systems ausgebaut wird, der darin besteht, dass Eigenverantwortlichkeit der Schulen und ihrer Lehrkräfte Berücksichtigung finden. Gerade im Rahmen der Schulentwicklung werden auch Fortbildungen durch Lehrkräfte selbst aus konkreten Problemsituationen heraus in den Schulen initiiert. Dies entspricht einem auch international in der Forschung als besonders erfolgreich ausgewiesenen Trend. Wir treten daher für eine Fortbildungslandschaft ein, in der Lehrkräfte Fortbildungen finden und entwickeln können, die für ihre eigene und für die Schulentwicklung geeignet sind. Auch die Fortbildungsaktivitäten von Universitäten, Gewerkschaften, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen würden durch eine solche Zentralisierung in die Verwaltung der Bildungspolitik mit einbezogen, was der Unabhängigkeit dieser Institutionen widersprechen könnte.