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Dieser Elternbrief ist auch als Flyer zu beziehen!
Liebe Eltern, liebe Mitbürger,
wir wenden uns an Sie, weil uns die Entwicklung der schulischen Bildung in Nordrhein-Westfalen Sorgen bereitet. Wir – eine Gruppe von Eltern und aufmerksamen Bürgern – haben in den vergangenen Jahren beobachtet, dass es im Bildungswesen nicht gut läuft. Viele von uns sitzen tagtäglich mit ihren Kindern, um das nachzuholen, was sie in der Schule nicht gelernt haben. Wir müssen unsere Kinder immer mehr unterstützen, sehen sie fragwürdigen Lehrmethoden ausgesetzt und merken, dass sie immer weniger wissen und können. Im Zuge der Inklusion werden weitere gravierende Veränderungen vorgenommen. Diese beunruhigende Entwicklung im Bildungswesen möchten wir mit Ihnen diskutieren. Grundlegende Veränderungen dürfen nicht hinter verschlossenen Türen erfolgen, sondern erfordern in einer Demokratie die Beteiligung der Bürger, wie es auch die Landesverfassung vorsieht:
Landesverfassung NRW
Art 8: (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung. Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, dass das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.
Wir Eltern stellen fest
Unsere Kinder erwerben immer weniger Wissen und Können in der Schule, z.B.:
- keine Automatisierung des kleinen Einmaleins
- keine Sicherheit in den schriftlichen Rechenverfahren
- keine sichere und zügige Beherrschung einer leserlichen Handschrift
- mangelnde Beherrschung der Rechtschreibung
- Abnahme des Textverständnisses.
Die Schere zwischen leistungsmäßig schwächeren und stärkeren Schülern geht immer weiter auseinander.
Die neuen Lernkonzepte überfordern viele Schüler und produzieren Entmutigung, Verunsicherung und Verhaltensauffälligkeiten.
Ohne außerschulische Unterstützung durch Elternhaus und Lerninstitute bleiben viele Schüler auf der Strecke.
Immer weniger Schulabgänger bringen die Voraussetzungen mit, um in Berufsausbildung und Studium zu bestehen.
Wichtige Gründe für diese Mängel
Die Schüler sollen „selbstgesteuert“ und „individualisiert“ lernen, gemeinsame Lernziele gehen dadurch verloren und der Klassenunterricht tritt zunehmend in den Hintergrund.
Der Lehrer soll lediglich Organisator und Begleiter von Lernprozessen sein, nicht mehr unterrichtender und erziehender Pädagoge.
Häufiges individualisierendes Lernen führt zu einem Mangel an Gemeinschaftssinn, weil jeder vorwiegend sein eigenes Fortkommen im Blick hat.
Bildung wird durch „Kompetenzen“ ersetzt. Die unsystematische Anhäufung sogenannter Kompetenzen drängt den systematischen Aufbau soliden Wissens in den Hintergrund.
Durch eine oberflächliche Herangehens- und Arbeitsweise findet ein gründliches Verstehen und Vertiefen der Inhalte immer weniger statt.
Die überhastete Inklusionspolitik führt zu einer Verschärfung der Problemlage.
Was erwarten wir von einer guten Schule
Wir wollen eine Schule, in der unsere Kinder das lernen, was sie im Leben brauchen:
- Solide Grundlagen im Schreiben, Lesen, Rechnen
- Solides Fachwissen in den einzelnen gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächern
- Grundwissen in Sprache, Literatur und Kultur
- Stärkere Gewichtung der gestalterischen und handwerklichen Fähigkeiten,
Wir wollen eine Schule, in der unsere Kinder das lernen, was sie im Leben brauchen:
- Verbindliche Festlegung von klar definierten, der Schulform entsprechenden Jahrgangszielen
- Keine weitere Niveauabsenkung bei Lern- und Prüfungsinhalten
- Beibehaltung gleicher Lernziele für eine Jahrgangsstufe
- Systematisch und kleinschrittig aufgebaute Lehrmittel mit ausreichendem Übungsmaterial
- Der Entwicklungsstufe des Kindes entsprechende und werterhaltende Lehrmittel mit sinngebenden Inhalten.
Wir wollen menschlich und fachlich engagierte Lehrer, die ihre Führungsaufgabe wahrnehmen – keinen „Lernbegleiter“ oder „Coach“
- Geführter Klassenunterricht als bestimmendes Unterrichtskonzept statt Individualisierung und selbstgesteuertem Lernen
- Systematischer Aufbau des Unterrichts mit genauer Anleitung statt „Jeder soll seinen eigenen Weg finden“
- Genügend Zeit zum Üben des Wesentlichen
- Selbstständig lösbare Hausaufgaben zur Festigung von erlernten Inhalten
- Anleitung zu sorgfältiger Heftführung und lesbarer Schrift
- Gründliche, regelmäßige Korrektur der Schülerarbeiten, auch der Rechtschreibung.
Wir wollen, dass der Erziehungsauftrag als eine Kernaufgabe des Lehrers bestehen bleibt:
- Erziehung in der Schule ist ein personales Geschehen vom Lehrer zum Kind hin. Es vollzieht sich in der Auseinandersetzung mit den Mitmenschen und den Lerninhalten im Rahmen einer pädagogisch gestalteten Klassengemeinschaft
- Das konkrete Miteinanderleben und -arbeiten in der Schulklasse ist ein Erziehungsfeld, das der Lehrer nicht aufgeben darf zugunsten von verstärktem Einsatz von Computer oder abzuarbeitenden Arbeitsblättern
- Es darf keine Pathologisierung unserer Kinder durch das Diagnostizieren von Teilleistungsstörungen (z.B. Legasthenie, Dyskalkulie) und psychiatrischen Erkrankungen (z.B. ADHS, Asperger-Autismus) stattfinden, wo eigentlich pädagogisches Handeln gefordert wäre
- Unseren Kindern ist nicht mit Erleichterungsdidaktik und Spaßpädagogik geholfen
- Wir wollen keine Niveauabsenkung, sondern angemessene Herausforderung und Unterstützung
- Kinder lernen nicht „digital“, sondern von und mit anderen Menschen
- Medienerziehung darf sich nicht in der Vermittlung banaler Beherrschung von Geräten erschöpfen, sondern muss zum kritischen und überlegten Umgang anleiten.
Wir wollen eine werteorientierte Schule
Die Kinder sollen durch die Schule befähigt werden, später ihre Aufgaben in der Familie, im Beruf und in der Gesellschaft verantwortungsvoll im Sinne des Gemeinwohls wahrzunehmen.
Die Schule soll nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
Schule ist kein wertneutraler Ort. Die Lerninhalte haben sich an den Werten des Grundgesetzes und der nordrhein-westfälischen Verfassung zu orientieren und sollen diese Werte beim Kind stärken.
Landesverfassung NRW
Art.7: (1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung.
Die Befunde der Hattie-Studie ernstnehmen!
Der neuseeländische Unterrichtsforscher John Hattie hat weltweit über 50.000 Einzelstudien zu folgender Frage zusammengetragen: Welche Faktoren hemmen den Lernprozess, welche fördern ihn? Das Ergebnis seiner Auswertung zeigt unter anderem, dass durch individualisierte Lernformen die Lernleistung von Schülern kaum positiv beeinflusst wird. Dazu gehören selbstentdeckendes und selbstgesteuertes Lernen. Der Lehrer fungiert dabei als Coach, der seine Aufgabe darin sieht, dem Schüler Lerngelegenheiten bereitzustellen und dann lediglich beratend im Hintergrund zu bleiben.
Hatties Befunde zeigen dagegen, dass gerade das Lehrerhandeln bzw. das Lehrer-Schüler-Verhältnis entscheidenden Einfluss auf den Lernerfolg des Schülers haben: “Die Ergebnisse zeigen, dass aktiver und von Lehrpersonen gelenkter Unterricht effektiver ist als ein Unterricht, bei dem die Lehrenden als Lernbegleiter und Lernunterstützer nur indirekt in das Geschehen eingreifen.“
Von großer Bedeutung ist nach Hattie die Fähigkeit des Lehrers, Schüler für das Lernen und den Unterricht zu begeistern und ein vertrauensvolles Lernklima zu schaffen, in dem Fehler als Gelegenheit zum Lernen willkommen sind.
Ebenso wichtig ist, dass er sich seiner Wirkung auf Schüler bewusst ist und deren Lernfortschritt ständig reflektiert. “Die Qualität … des Korrigierens und Rückmeldung- Gebens gehören zu den einflussreichsten Faktoren.“ Bedeutsam sind auch aktivierende Lernstrategien sowie ausreichende Übungsphasen.
Daraus ergibt sich die hohe Lernwirksamkeit eines gelenkten Klassenunterrichts, der durch intensiven Dialog zwischen Lehrer und Schülern gekennzeichnet ist, wie auch durch gemeinsames Entwickeln einer Lösung zu einer Problemstellung.
Hattie zufolge ist es auch sehr lernförderlich, wenn die Schule die Eltern anregt, das Lernen ihrer Kinder aufmerksam zu begleiten und angemessen zu unterstützen.
Alle Kinder haben ein Recht auf eine gute Schulbildung.
Setzen Sie sich mit uns gemeinsam für eine gute Schule ein!
Eltern für eine gute Schule!
Für Fragen, Anregungen und Anmerkungen kontaktieren Sie uns bitte.
homepage: www.Eltern-fuer-eine-gute-schule.de
e-mail: info@eltern-fuer-eine-gute-schule.de
Erstunterzeichner:
Barbara Altmann, stellv. Schulleiterin, Neunkirchen-Seelscheid
Dr. Birgit Bauer, Kinderärztin, Düren
Dr. Norbert Biedinger, Kinderarzt, Euskirchen
Heinz Blessing-Reeckmann, Konstrukteur, Rösrath
Antoine Cousin, Zimmermeister, Neunkirchen-Seelscheid
Prof. Dr. Rainer Dollase, Psychologe, Universität Bielefeld
Helga Ebel, Diplom-Sozialpädagogin, Aachen
Prof. em. Dr. Hermann Giesecke, Erziehungswissenschaftler, Göttingen
Anna Giltz, Bibliothekarin, Köln
Jorge Gomes-Ferreira, Business Consultant, Köln
Christine Green-Ottens, Dipl.-Sozialpädadogin, Alfter
Prof. Dr. Christian Hillgruber, Staatsrechtslehrer, Rheinbach
Marcus Hohenstein, Sprecher G9-jetzt-nrw.de, Siegen
Sabine Kern, Ärztin, Rheinbach
Dr. Dietmar Kirch, Arzt, Grafschaft
Ulla Kirch, Kinderkrankenschwester, Grafschaft
Prof. Dr. Hans Peter Klein, Fachdidaktik Biowissenschaften, Goethe-Uni Frankfurt
Katja Martens, Lehrerin, Rheinbach
Stefan Martens, Journalist, Rheinbach
Horst Menzyk, Vors. Arbeitskreis Gesamtschule, Recklinghausen
Claus Metzler, Hauptschullehrer a.D., Wuppertal
Juana Muhr, Lehrerin, Euskirchen
Heidelore Puttkamer, Rentnerin, Köln
Sylke Reeckmann, Altenpflegerin, Rösrath
Martina Ruhardt, Soziologin MA, Herten
Christel Schäfer-Metzler, Sonderpädagogin, Wuppertal
Dr. Albert Wunsch, Psychologe, Neuss
Margret Wunsch, Elterntrainerin, Neuss
Yassmo’, Musiker, Alfter
V.i.S.d.P.:
Stefan Martens, Postfach 1227, 53349 Rheinbach
Foto: Bundesarchiv Bonn